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Worlds of Music

Bokwe,John Knox  aus: WORLDS OF MUSIC

Der Komponist, Schriftsteller, Pastor und Funktionär kam 1855 im südafrikanischen Ntselamanzi zur Welt. Bokwe wurde christlich erzogen, was seinerzeit bei Xhosasprachigen nicht die Regel war: Seine Mutter, Lena, war die Tochter eines Jüngers von Ntsikana ka Gaba (im Volksmund Ntsikana), jenem Denker, der Anfang des 19. Jahrhunderts zur Einführung des Christentums im Xhosaland beigetragen hatte. Sein Vater, Cholwephi, hatte das Lovedale Missionary Institute besucht. Benannt wurde das jüngste Kind der Familie nach dem schottischen Reformator John Knox. Nach ersten Schuljahren in Ntselamanzi wurde Bokwe 1866 am Lovedale Missionary Institute aufgenommen. Im Folgejahr lernte er die aus Schottland stammenden Eheleute Stewart kennen, die ihn von dann an förderten. Williamina Stewart gab dem Knaben Klavier- und Orgelunterricht. Parallel half der Junge neben dem Schulbesuch entgeltlich in Haus und Hof mit. James Stewart - Artzt, Pastor und späterer Leiter des Lovedale Missionary Institute - ermutigte Bokwe zur Erlangung einer breit gefächerten allgemeinen Bildung und vermittelte ihm anschließend mehrere Arbeitsstellen und Aufträge.

Das Lovedale Missionary Institute, seinerzeit die größte Einrichtung seiner Art auf dem afrikanischen Kontinent, wurde schon damals in der Alltagssprache als "Lovedale" bezeichnet sowie als eigenständige Ortschaft aufgefasst. Hier wurden afrikanisch- und europäischstämmige Heranwachsende unter einem gemeinsamen Dach ausgebildet, und wurden Gäste aus aller Welt begrüßt. Lovedale wurde bereits während der Ausbildung zugleich Bokwes Wirkungsstätte. Zu seinen Tätigkeiten zählte die Leitung des Institutschors. Komplementär begann er zu komponieren, das Handwerk lernte er autodidaktisch. Sein Erstlingswerk, "Msindisi Wa Boni" ("Der Erlöser"), ist eine Vertonung des gleichnamigen xhosasprachigen Gedichtes von John A. Chalmers. Die vierstimmige Hymne weist den Einfluss Viktorianischer Gemeindegesänge auf. Nach der Veröffentlichung der Urfassung in der Lovedaler Zeitung "The Christian Express" (Juni 1875) erschienen englischsprachige Fassungen in England und Schottland in der Zeitschrift "Free Church of Scotland Monthly" (November 1892) und der Anthologie "Hymns and Melody: For School and Family Use" (1893). Bokwes Feder sind über 40 weitere geistliche und weltliche Vokalwerke entflossen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Lovedaler Jahre war die Auseinandersetzung mit Ntsikana. Ab 1876 fertigte Bokwe Transkriptionen und Arrangements von dessen Gesängen an. Bis dahin war Ntsikanas Musik über 50 Jahre lang ausschließlich mündlich überliefert worden. Des Weiteren verfasste Bokwe mehrere Biografien des Denkers und hielt regelmäßig Vorträge. 1910 veröffentlichte er zudem "Ntsikana’s Vision", ein Pasticcio mit Musik von Ntsikana und Worten von Allan Kirkland Soga. In Fachkreisen ist mehrfach die Frage danach gestellt worden, inwiefern Bokwes Transkriptionen Ntsikanas Urfassungen nahekommen. Dieses führt wiederum zur Komplementärfrage, ob und inwieweit die Gesänge im Zuge jahrzehntelanger mündlicher Weitergabe verändert worden waren. Unzweifelhaft ist, dass Bokwe maßgeblich zu Dokumentation und Verständnis von Ntsikanas Leben und Werk beigetragen, somit diversen Persönlichkeiten einen dankbaren Stoff überreicht hat. Impulse haben nicht zuletzt Akteure aus Musikleben, Theologie und Kulturgeschichte erhalten.

1885 gab Bokwe "Amaculo ase Lovedale/Lovedale Music" heraus, ein Liederbuch mit Werken ausgewählter abendländischer und afrikanischer Komponisten, seiner selbst inbegriffen. Da die Verlagsleitung in Lovedale dem Vorhaben mit Skepsis begegnet war, hatte Bokwe das Projekt selbst finanziert. "Amaculo ase Lovedale/Lovedale Music" fand eine tiefe Resonanz und wurde anschließend bis 1922 mehrmals erweitert sowie viermal neu aufgelegt. Zu den betreffenden Kompositionen zählt die Hymne "Plea from Africa", die Bokwe anlässlich einer Schottlandreise im Jahr 1892 verfasste. Form, Harmonik und Melodik sind mit jenen der Erweckungslieder von Ira D. Sankey und weiteren Zeitgenossen vergleichbar. Der Liedtext weist auf Seelen in Afrika hin, die gerettet werden sollen. Die Verwendung mehrerer offener Begriffe ermöglicht unterschiedliche Interpretationen. Im Lichte von Bokwes Lebensumfeld kann "Plea from Africa" als Plädoyer für den Dialog der Völker unter dem Dach der Missionsbewegung verstanden werden. Parallel zur mehrmaligen Veröffentlichung durch Lovedale Press wurde die Hymne von den Häusern Patterson, Sons and Co. (Glasgow) und Berger-Leovault (Paris) verlegt.

1897 nahm Bokwe Abschied von Lovedale, um neben John Tengo Jabavu die Zeitung "Imvo Zabantsundu" ("Die Afrikanische Sichtweise" ) herauszugeben. Vor der Zusammenarbeit mit Jabavu hatte Bokwe im Rahmen diverser mehrjähriger Lovedaler Tätigkeiten einschlägige Erfahrungen gesammelt, u.a. als Dolmetscher und Übersetzer, Leiter der Poststelle, Sekretär des Institutsleiters, und Mitarbeiter der hauseigenen Zeitung "The Christian Express" (bis 1876 "The Kaffir Express" genannt). Bokwes journalistische Beiträge und anderweitige Texte bilden gemeinsam ein facettenreiches Schrifttum. Die betreffenden Themenfelder umschließen Aspekte von Bildung, Musik, Politik, Recht, Religion und Verwaltungswesen. 1899 begab Bokwe sich erneut nach Schottland, wo er die Ausbildung zum Pastor der United Free Church of Scotland absolvierte. Er wurde 1906 ordiniert, anschließend mit der Gemeinde im südafrikanischen Ugie betraut. In diesen Jahren initiierte er die Errichtung mehrerer Schulen und Gebetshäusern in der Region mit. Zudem wurde er zum Stadtschreiber von Ugie ernannt. In der Folgezeit sollten jedoch viele von Bokwe mitbegründeten Einrichtungen rassistisch geprägten Maßnahmen zum Opfer fallen.

Das Jahr 1905 sah die Veröffentlichung von "Indoda Yamadoda" ("Ein herausragender Mann") durch Aird & Coghill in Glasgow. Die Tonkunst und darstellende Kunst vereinigende Kantate besteht aus Musik und Texten von Bokwe und weiteren Persönlichkeiten. Grundlage der Handlung sind biblische Ereignisse um die Personen Debora und Nehemia. Auf der Mikroebene kann "Indoda Yamadoda" als religionspädagogisches Werk verstanden werden, auf der Makroebene als allegorischer Ausruf zu Besinnung, Zusammenhalt und Wiederaufbau. Jahrzehntelange Reibungen und Kriege hatten Südafrika gespaltet; Rassismus und zentralisierte Segregation hatten zugenommen. Von diesen Entwicklungen waren auch Bokwe und sein Umfeld direkt betroffen. Das in diesem Zusammenhang entstandene Lied "Vuka, Vuka, Debora" ("Erwache, Debora") zählt zu Bokwes beliebtesten Kompositionen.

1907 bis 1914 gehörte Bokwe dem Executive Board of the Inter-State College an. Der Ausschuss legte den Grundstein für das South African Native College, die heutige University of Fort Hare. 1920 setzte sich der mittlerweile Fünfundsechzigjährige in Ntselamanzi zur Ruhe. Von dort aus wirkte er nicht zuletzt an der Übersetzung von Psalmendichtungen ins Xhosa mit.


Zeittafel (2)

185515. März * John Knox Bokwe (Ntselamanzi, Kapkolonie, Britisches Weltreich)
192222. FebruarJohn Knox Bokwe (Ntselamanzi, Kapprovinz, Südafrikanische Union)

Kontext

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